Landeshauptstadt Dresden
Stadtteile Südost
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Stadtteil Lockwitz

Urkundliche Ersterwähnung: 1288 als Lucawicz (altsorbisch: lukavica = Ort am Wiesenbach), Vereinigung mit Nickern: 1923, Eingemeindung nach Dresden: 1930

Frühe Besiedlung des Lockwitzer Gebietes

Auf der Lockwitzer Flur, einem alten Siedlungsgebiet, konnte man zahlreiche bedeutende Funde aus ur- und frühgeschichtlicher Zeit bergen. Reste großer Siedlungen der Bandkeramikzeit traten im Norden der Flur und nordwestlich der Niedermühle zutage, darunter Hausgrundrisse und reiche Gefäß- und Steinfunde. In einem Gräberfeld fand man Hinweise auf Brandbestattungen, die sonst in dieser Zeit noch nicht üblich waren.

Nördlich vom Ort stieß man auf Gräber und Siedlungsreste aus der Aunjetitzer Kultur, d.h. der ältesten Bronzezeit. Dazu gehören Vorrats­ und Herdgruben sowie Keramik aus der Zeit um 1100 v. Chr. Auch ein Gräberfeld der ältesten Eisenzeit ist hier zu finden. Zu den Überresten der Brandbestattungen gehören neben den Urnen auch ein Räuchergefäß und verschiedene Beigefäße.

In slawischer Zeit (ca. 600-1000 u.Z.) gab es eine Siedlung im Bereich des Pfarrhauses und des ehemaligen Gutsparkes. Die Keramikfunde gehen bis auf das 9. Jahrhundert zurück. Hier fand man unter anderem Herdstellen und den Unterstein einer Rotationsgetreidemühle. Westlich des Ortes lag eine weitere slawische Siedlung. Die hier geborgene Keramik stammt aus dem 10. und frühen 11. Jahrhundert. Außerdem fand man Feuerstellen und Reste des Lehmverstrichs (Wandbewurfs) der Hauswände. Nach der Gründung der Markgrafschaft Meißen im 10. Jahrhundert war das sorbische Dorf Lockwitz dem Markgrafen lehn- und dienstpflichtig.

Der tief eingeschnittene Hohlweg "Hohles Tor" im Südosten von Lockwitz war in früher Zeit der Zugang zu dem über dem linken Hochufer des Lockwitzbaches gelegenen Burgberg. Diese Anhöhe wurde dann beim Bau der Kelterei teilweise eingeebnet und durch den an den Hängen betriebenen Steinbruch weitgehend abgetragen. Das Plateau misst heute nur noch etwa 70 m, die Höhe des Walles kaum mehr als 2 m. Die hier gefundenen Siedlungsreste gehen bis auf das 10. Jahrhundert zurück und verweisen auf eine ältere slawische Wallanlage an diesem Ort. Die Befestigung auf dem Burgberg dürfte auch in deutscher Zeit noch lange Zeit bestanden haben.

Rittergut Lockwitz

Das in Niederlockwitz (Großlockwitz) rechts vom Lockwitzbach gelegene Rittergut findet erstmals im Jahr 1349 Erwähnung. In den Jahren 1547 und 1696 ist von einem Nieder- und einem Oberteil des Gutes die Rede.

Das Hauptgebäude des Rittergutes zeigte sich ab Anfang des 17. Jahrhunderts als stattlicher Schlossbau mit drei Volutengiebeln und der im Osten angefügten Schlosskapelle. Dieses Gebäude ist auf dem Epitaph des Joh. Georg von Osterhausen, das sich in der Schlosskirche befindet, dargestellt. Bis zum Umbau im Jahr 1867 besaß das Schloss eine harmonisch gegliederte Barockfassade mit einem balkonartig gestalteten, bis in das Mansardwalmdach hineingezogen Mittelrisalit.

Die seit der Reformation (1539) nicht mehr genutzte Schlosskapelle wurde im Jahr 1623 im Auftrag von Joh. Georg von Osterhausen in eine Gemeindekirche für die nun selbstständige Parochie Lockwitz umgestaltet. Aus jenem Jahr stammt der Altar. Zwischen 1699 und 1702 entstand der langgestreckte, auf drei Seiten geschlossene Saal mit dem flachen, mit einer Holzverschalung nachgebildeten Kreuzrippengewölbe. Den bis dahin im Westen unter der Patronatsloge, über der Gruft, stehenden Altar versetzte man an die Ostseite. Zwischen Schloss und Kirche baute man den westlichen Glockenturm mit Barockhaube und -laterne. Die Patronatsloge war nun vom Schloss her zugänglich. Den Korbbogen des Hauptportals schmückte man mit dem herrschaftlichen Wappen. Das nahe gelegene, "Schlossgärtnerei" genannte Gebiet wurde später mit einer Mauer umgeben.

Dokumente aus dem Jahr 1683 zeugen vom schweren Los der Lockwitzer Häusler und zur Miete wohnenden Hausgenossen. Sie mussten neben den üblichen Ernte-, Hof- und Bauarbeiten für das Rittergut auch Hopfen pflücken sowie beim Brauen und Weinlesen helfen. Dafür erhielten sie einen Groschen pro Tag und "wann es der Herrschaft beliebt" etwas zu Essen.

Aus der Lockwitzer Ortsgeschichte

Der Ort Lockwitz, der günstig nahe des bedeutenden alten Fahrweges zwischen Dresden und Pirna lag, bestand aus den Teilen in maiori Lucawicz (Großlockwitz, Niederlockwitz) und in parvo Lucawicz (Kleinlockwitz, Oberlockwitz).

Das Zentrum des Dorfes Niederlockwitz (Großlockwitz), das um 1630 die Form eines Rundlings annahm, befand sich nahe des Rittergutes beim heutigen Platz Am Plan. Die hier gebaute erste Schule ist aus dem Jahr 1623 bekannt. An der Westseite blieb der Platz zunächst unbebaut, weil das Gelände zum Bach hin abfiel. Anstelle der späteren Brücke gab es hier eine Furt. Der Hang zum Bach war im Jahr 1638, im Dreißigjährigen Krieg, beim Bau einer Schanze aufgefüllt und durch eine hohe Mauer am Bachbogen gesichert worden.

Im Gebiet Am Plan kam es zwischen 1668 und 1695 zu weiteren Neuansiedlungen. Einige weitere Anwesen entstanden an der Straße Altlockwitz. Der im Westen des Ortes gelegene Jacobsplatz (heute: Am Wehr) erfuhr erst nach 1650 und dann wieder nach 1750 eine Bebauung.

Oberlockwitz (Kleinlockwitz) war im Bereich der Straße Am Galgenberg zunächst nur zwischen Am Hofegarten und Hohles Tor bebaut. Etwas abseits, an der Stelle des heutigen Pfarrhauses Tögelstraße 1, befand sich ein Gut, das seit der Gründung der Lockwitzer Kirchgemeinde im Jahr 1623 dem jeweiligen Pfarrer gehörte.

Zu den in Lockwitz erhalten gebliebenen Altbauten gehört der große Dreiseithof Am Galgenberg 90, dessen älteste Lehmfachwerkteile aus dem 17. Jahrhundert stammen.

Zwischen 1558 und 1600 baute man in Niederlockwitz für die Gutsarbeiter neun Hofehäuser (Drescherhäuser). An der schon damals wichtigen Straße nach Pirna (Dohnaer Straße) entstand der Untere Gasthof, die Schänke des Niederdorfes. Der Obere Gasthof bestand schon seit 1537. In jenem Jahr wurden auch die ersten Mühlen erwähnt. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kamen drei Hofehäuser an der Dohnaer Straße und 17 Hofehäuser an der Maxener und Röhrsdorfer Straße hinzu, bis 1700 auch zwei weitere Mühlen.

In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) erlangten 26 Lockwitzer Einwohner das Recht zum Mehl- und Brothandel nach Dresden. Ein weiterer wichtiger Erwerbszweig war das Strohflechten. Nahe der Niedermühle wurden die Strohgeflechte mit Schwefel gebleicht. Daraus entwickelte sich eine chemische Fabrik (die noch in der Zeit der DDR arbeitete). Aus der Herstellung des aus Heilkräutern hergestellten "Lockwitzer Balsams", dessen Rezept leider in Vergessenheit geriet, ging eine Arzneimittelfabrik an der Dohnaer Straße hervor.

Vieles aus der Lockwitzer Ortsgeschichte ist durch das Wirken des Ortsrichters und Chronisten Christian Sültze (geb. 1666) bekannt. (Als Maurermeister hatte dieser im Jahr 1713 auch den Umbau der ersten Lockwitzer Schule geleitet.) Im Jahr 1723 gab Pfarrer Christian Gottlob Gerber (1686-1764) eine Chronik zum hundertjährigen Jubiläum von Kirche und Schule heraus. Verfasser der ab 1878 erschienenen "Lockwitzer Nachrichten aus alter und neuer Zeit" war der Arzt Dr. Friedrich Theile (1814-1899). Wegen seiner Teilnahme am Dresdner Maiaufstand im Jahr 1849 wurde er zu einer langjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Bedeutende Heimatforscher, an die heute Lockwitzer Straßennamen erinnern, waren auch Johann Samuel Grohmann (1759-1835), Christian Gottlob Tögel (1791-1845), Julius Hermann Tögel (1822-1893) und Paul Hermann Tögel (1869-1939). Der Lehrer Gerhardt Müller (geb. 1890) richtete ein Heimatmuseum ein, das von 1923 bis 1945 bestand. Dr. med. Karl Franz Bamberg (1881-1966) veröffentlichte in Zeitschriften und Tageszeitungen Aufsätze über Lockwitz.

Lockwitz nach 1850

Bis um 1850 hatte sich der Ort noch nicht wesentlich über die seit Anfang des 18. Jahrhunderts bestehenden Ortsgrenzen hinaus ausgebreitet. Innerhalb dieser Grenzen dagegen hatte die Wohndichte ständig zugenommen. Im Jahr 1834 besaß der Ort unter allen Dörfern, die später nach Dresden eingemeindet wurden, die meisten Einwohner.

Nach 1850, nach der Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Dresden-Pirna, ging die Bedeutung der Straßenverbindung nach Pirna und somit auch die des Ortes Lockwitz zurück. Der früher wesentlich kleinere und unbedeutendere Ort Niedersedlitz überflügelte Lockwitz nun recht schnell, weil er einen Bahnanschluss besaß, an dem immer mehr Fabrikanlagen enstanden. Am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Lockwitz zu einem Arbeiterwohngebiet für die Niedersedlitzer Industrie. Anstelle abgerissener Bauerngüter entstanden Wohnhäuser. Im Gebiet Am Plan vergrößerte man den Gutspark auf Kosten zweier Bauerngehöfte. Einige Mühlen wandelte man in kleine Fabriken um.

Im Jahr 1868 entstand die Alte Schule an der Tögelstraße, im Jahr 1906 die Neue Schule Am Galgenberg.

Nach der Gründung der Kelterei Lockwitzgrund erlangte die Obstverarbeitung ab 1906 eine schnell wachsende Bedeutung im Ort. Die Anlagen der Kelterei breiteten sich über einen beträchtlichen Teil des Lockwitzgrundes aus. In der DDR war es die größte Kelterei des Landes. Aus importierten Konzentraten stellte man hier Fruchtsirup her. Frischobst aus Sachsen und Südbrandenburg wurde zu Apfelsaft und Süßmost sowie Frucht(schaum)wein verarbeitet.

Nach dem Ersten Weltkrieg breiteten sich die Wohnsiedlungen an der Nickerner Straße und Auf dem Pläner aus. Im Jahre 1930 erfuhr Lockwitz die Eingemeindung nach Dresden. Im Bereich der Straße Am Galgenberg wuchs danach die Häuserzeile "Am Galgenberg" zu einem großen Wohnviertel heran. Lockwitz entwickelte sich nun zu einer vorstädtischen Siedlung. Seit 1933 besteht eine Busverbindung zur Innenstadt.

Im Zuge der Bodenreform legten Neubauern ab 1946 im Gebiet Am Viertelacker, an der Maxener Straße und an der Röhrsdorfer Straße neue Höfe an. Das Rittergutsland war an 23 Neubauern aufgeteilt worden. Diese schlossen sich im Jahr 1952 zur ersten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft des Dresdner Raumes zusammen. Nach der Vereinigung mit der Lugaer Genossenschaft im Jahr 1958 und dem Anschluss der Nickerner Genossenschaft im Jahr 1962 bewirtschafteten die Genossenschaftsbauern nun 461 ha Land mit den Schwerpunkten Futterbau und Rinderhaltung. Mit der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft "Dresdner Rosen" bestand eine enge Kooperation. Am Viertelacker baute die Genossenschaft neue Ställe und Speicher, vom früheren Rittergut übernahm sie dagegen nur die Scheunen und einen Schafstall. Im Rittergut richtete sich die Betriebsberufsschule des Topographischen Dienstes Dresden ein.




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