Dresden in der Nachkriegszeit – Wiederaufbau (1945-1950)

Vom Trümmerfeld zur wiedererstehenden Barockstadt

Der Neubeginn 1945

8. Mai 1945: Kapitulation der Wehrmacht, Einmarsch der Roten Armee

10. Mai 1945: Provisorische Stadtverwaltung tritt zusammen

Oberbürgermeister: Dr. Rudolf Friedrichs (bis 1947 auch Präsident der Sächsischen Landesverwaltung)

Herausforderung: 18 Millionen m³ Trümmer, zerstörte Infrastruktur, Wohnungsnot

Die ersten Monate: Überleben sichern

Der neu gebildete Dresdner Magistrat musste zuerst die Lebensgrundlagen der Bevölkerung sichern: Lebensmittel-, Wasser-, Gas- und Stromversorgung sowie die Verkehrseinrichtungen wieder in Gang setzen.

Während die vollkommen zerstörte Innenstadt nun nahezu unbewohnt war, lief das Leben in den äußeren Stadtbereichen schon Ende Mai 1945 wieder an. Hier ging auch die Strom-, Wasser- und Gasversorgung wieder in Betrieb und die Straßenbahnen fuhren wieder.

Noch 1945:

  • 50.000 leicht beschädigte Wohnungen wiederhergestellt
  • 3.000 mittelschwer beschädigte Wohnungen wiederhergestellt
  • Marienbrücke und Albertbrücke behelfsmäßig repariert

Prioritäten:

  1. Versorgungsanlagen funktionsfähig machen
  2. Warenproduktion in Gang bringen
  3. Wohnungen provisorisch herrichten
  4. Historische Bausubstanz sichern

Rettung des kulturellen Erbes

Obwohl es zunächst zwingend notwendig war, die Versorgungsanlagen wiederherzustellen, wurde schon im Jahr 1945 mit der Sicherung historisch wertvoller Bausubstanz begonnen.

Denkmalpfleger, Architekten und Bildhauer sowie unzählige freiwillige Helfer begannen mit der Bergung von historischen Bauteilen, vor allem von Gebäudeschmuck und Plastiken, und bereiteten den Wiederaufbau von historischen Gebäuden vor.

Erste Wiederaufbau-Erfolge

Noch während der Entrümmerung begann der Wiederaufbau des als Symbol Dresdens geltenden Zwingers und des weniger stark zerstörten Schauspielhauses.

  • 1948: Schauspielhaus wiedereröffnet mit der Aufführung der Oper "Fidelio"
  • 1964: Zwinger äußerlich fertiggestellt

Die Entrümmerung: 18 Millionen m³ Schutt

Aus der Innenstadt war eine Trümmermenge von etwa 18 Millionen m³ abzufahren – eine unvorstellbare Menge. Ein Denkmal vor dem Neuen Rathaus erinnert an die Trümmerfrauen, die zu einem Symbol dieser Zeit wurden.

Entrümmerung im Zeitverlauf

  • Phase 1 (1945-1950): Freilegung der wichtigsten Verkehrsstraßen
  • Phase 2 (1950-1962): Hauptphase der Flächenberäumung
  • 1953: Großflächenberäumung in der Innenstadt abgeschlossen
  • Verwendung:
    • Verwendbare Materialien: Zwischenlagerung auf Halden, Verarbeitung in Baustoff- und Betonwerken (z.B. in der Johannstadt)
    • Schutt: Großflächige Aufschüttungen (z.B. Johannstädter Ufer) oder Trümmerberge (später begrünt)
  • Ergebnis: In weiten Gebieten wie Johannstadt und Prager Straße nahezu leere Brachflächen

Symbol einer Generation

Die Trümmerfrauen – Frauen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit Trümmer beräumten, Steine klopften und den Schutt abtrugen – wurden zum Symbol für den Wiederaufbauwillen und die Leistung der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Ein Denkmal vor dem Neuen Rathaus erinnert bis heute an ihren Einsatz.

Wiederaufbaupläne: Vision für eine neue Stadt

Bei der städtebaulichen Planung für den Wiederaufbau diskutierten die Verantwortlichen zunächst sehr unterschiedliche Lösungen, die von der Wiederherstellung des Zustandes vor 1945 bis zu einer völlig neuen Stadtstruktur reichten.

Der "Große Dresdner Aufbauplan" (1946)

Der unter anderen von Stadtbaurat Herbert Conert erarbeitete "Große Dresdner Aufbauplan", der erste Aufbauplan für die Innenstadt, wurde bereits im Jahr 1946 beschlossen.

Kernpunkte des Plans:

  • Einrichtung einer Nord-Süd-Achse und einer Ost-West-Achse mit dem Altmarkt als Schnittpunkt
  • Historische Stadtstruktur sollte soweit wie möglich bewahrt bleiben (was dann aber kaum gelang)
  • Planung historischer Gebäude, Verkehrsanlagen, Versorgungsnetze und Grünanlagen
  • Maßnahmen zur Sicherung historischer Gebäude und Denkmäler

Die Grundakte von 1951: Wendepunkt

Die Grundakte von 1951 stellte die Weichen hin zu dem in der Zeit der DDR verwirklichten Dresdner Stadtbild:

Umstrittene Entscheidungen:

  • Umwandlung des Altmarktes in einen überdimensionierten Fest- und Demonstrationsplatz
  • Anlage breiter Verkehrsstraßen durch die Innenstadt
  • Beseitigung der vielen kleinen Gassen, die das historische Zentrum einst geprägt hatten
  • Abriss der Sophienkirche, obwohl ihre Ruine wiederaufbaufähig war
  • Diskussion über Abriss der Semperoper-Ruine (konnte verhindert werden!)

Rettung der Semperoper

Der geplante Abriss der Semperoper-Ruine konnte dank des Engagements des Architektenverbandes, einer großen Unterschriftensammlung der Arbeiter des Sachsenwerkes Niedersedlitz und vieler Künstler sowie eines Gutachtens des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege verhindert werden!

Verlust der historischen Stadtstruktur

Vom Grundriss des Stadtkerns, der auf den mittelalterlichen Grundriss Dresdens zurückgeht, blieb nur die grobe Struktur erhalten. Die kleinteilige Gliederung dagegen verschwand weitgehend.

Von dem einst dichten Netz von Straßen und Gassen geringer Breite blieben beim Wiederaufbau fast nur die Hauptstraßen – z.T. in veränderter Lage – erhalten.

Neue Haupttrassen der Altstadt:

  • West-Ost-Achse: Ernst-Thälmann-Straße (heute: Wilsdruffer Straße)
    Etwa 50 m breite Achse zwischen Postplatz und Pirnaischem Platz, geeignet für große Aufmärsche und Demonstrationen
  • Nord-Süd-Achse: Leningrader Straße (heute: St.Petersburger Straße, fertiggestellt 1971)
    Noch breitere Achse zwischen Hauptbahnhof und Dr.-Rudolf-Friedrichs-Brücke (heute: Carolabrücke)
  • Fußgängerzone: Prager Straße
    Die einst über Prager Straße und Augustusbrücke laufende Nord-Süd-Achse wurde in eine Fußgängerzone umgewandelt – eine sehr zu begrüßende Entscheidung!

Erste Etappen des Wiederaufbaus

Am 4. August 1945 gründete sich die Kommission für Bergung und Wiederaufbau. Noch im selben Jahr begannen die Arbeiten zur Sicherung historischer Bausubstanz und der Wiederaufbau des Zwingers.

Wichtige Meilensteine des Wiederaufbaus

Wohnungsbau: Vom Mangel zur Massenproduktion

Nachdem schon ab 1945 teilzerstörte Wohnungen wiederhergestellt worden waren, begann im Jahr 1949 der Neubau von Wohnhäusern:

  • 1949: Falkensteinplatz (Striesen)
  • 1951: Grunaer Straße (Pirnaische Vorstadt)
  • 1953: Altmarkt – nach zweijährigem Architektenwettbewerb
  • Frühe 1950er: Vier- bis fünfstöckige schlichte Reihenhäuser in traditioneller Bauweise an der Pillnitzer Straße und in der Südvorstadt
  • Ab 1956: Industrieller Wohnungsbau in Großblock- und Plattenbauweise (beginnend Borsbergstraße, Striesen)

Altmarkt: Barocke Fassaden mit sozialistischem Hintergedanken

Der Altmarkt wurde für seine neue Funktion als Fest- und Demonstrationsplatz wesentlich vergrößert angelegt. Die neuen Häuserfassaden an der West- und Ostseite zeigen mit ihren barocken Schmuckelementen Anklänge an die Dresdner Bautradition des 18. Jahrhunderts.

1969: Fertigstellung des Kulturpalastes an der Nordseite (Philharmonie und Sächsische Staatskapelle)

Prager Straße: Sozialistische Moderne

Im Jahr 1964 begann der Wiederaufbau des nach der Entrümmerung vollkommen leeren Gebietes der Prager Straße. Hier entstand eine großflächige Anlage von freistehenden Baukörpern wie Hotels, Geschäften, einem Warenhaus, dem Rundkino und Wohnblocks.

Kritische Würdigung

Zwiespältiges Erbe

Da schnell neuer Wohnraum benötigt wurde, entstanden die großen neuen Wohngebiete meist ohne Bezug auf die frühere Stadtstruktur. Auch durch verfehlte Planung, überstürzte Bauausführung, Materialmangel und erzwungene Sparsamkeit ging der Bezug zur Dresdner Bautradition weitgehend verloren.

"Man sagt, das alte Dresden sei beim Wiederaufbau ein zweites Mal zerstört worden."

Die Zwänge der Nachkriegszeit – der fehlende Wohnraum und das brachliegende Gewerbe – ließen zunächst wohl kaum eine andere Wahl. Der im Jahr 1968 einsetzende Aufbau einer "sozialistischen Stadt" mit großen Aufmarschplätzen und eintönigen Plattenbauten war jedoch ein Bruch mit der Dresdner Bautradition.

Aber: Der umstrittene Abriss wiederaufbaufähiger historischer Bauwerke wie der Sophienkirche und einiger Palais, Villen und Bürgerhäuser war ideologisch begründet und nicht durch Notwendigkeit diktiert.

Ballungsraum Dresden

Dresden entwickelte sich ab 1950 zum Kern eines großen Siedlungsraumes (Ballungsgebietes), der auch Meißen, Coswig, Radebeul, Freital, Radeberg, Heidenau und Pirna sowie zahlreiche Einrichtungen der Industrie, des Verkehrs, des Erholungswesens und der Kultur umfasst.

Dieser Großraum stellt heute eine soziale, kulturelle, wirtschaftliche und touristische Einheit dar.

📀 CD-Ausgabe "Dresden & Umgebung"

Entdecken Sie Dresden und Sachsen mit unserer umfassenden CD-Ausgabe:

  • 3 Bücher mit ausführlichen Informationen
  • 16 Fotogalerien
  • Vollständiger landeskundlicher Reiseführer
Mehr erfahren →