Landeshauptstadt Dresden
Dresdner Stadtgeschichte
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Zeit der Industrialisierung • Jugendstil (1873-1933)

Im Jahr 1889 feierte das Haus Wettin sein 800-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass erfuhr auch das Residenzschloss eine umfassende Sanierung. Die Schlossfassaden wurden im Stil der Neorenaissance neugestaltet.

Im Jahr 1918 griff die Revolution auch auf Sachsen über. König Friedrich August III. musste am 9. November 1918 abdanken - angeblich mit den Worten: "Nu, dann machd eiern Dregg alleene". Die Republik wurde ausgerufen. Mit der neuen Verfassung von 1920 entstand der Freistaat Sachsen.

Dresden in der Zeit der Industrialisierung

Die Industrialisierung Dresdens erreichte nach 1875 ihren Höhepunkt. Weil Industriebetriebe mit Schornsteinen im inneren Bereich der Kunst- und Residenzstadt nicht geduldet wurden, entstanden die neuen Fabriken in den äußeren Stadtteilen. Die im Jahr 1912 fertiggestellte Tabakfabrik "Yenidze" durfte nur deshalb in der Innenstadt gebaut werden, weil sie als Moschee gestaltet und ihr Schornstein als Minarett verkleidet war. Einige Handwerksbetriebe in den Hinterhöfen der Innenstadt entwickelten sich, soweit es die Bauordnung zuließ, zu kleinen und mittleren Industriebetrieben.

Im Jahr 1874 entstand die pharmazeutische Firma Heyden, 1888 das Lingnerwerk, 1889 das Fotokamerawerk Ernemann, 1893 die erste elektrische Straßenbahnlinie und 1901 an der Loschwitzhöhe die weltweit erste Bergschwebebahn. Die Technische Hochschule wurde 1898 gegründet. Am Terrassenufer unterhalb der Brühlschen Terrasse erhielt die Raddampferflotte im Jahr 1910 ihren ständigen Liegeplatz.

Die vom "Odol"-Mundwasser-Produzenten Karl August Lingner im Jahr 1911 organisierte I. Internationale Hygieneausstellung zog mehr als 5 Millionen Besucher an. Lingner war auch Initiator des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden.

Am Ende des 19. Jahrhunderts ruinierte die eingeschleppte Reblaus den Weinbau an den Elbhängen. Mit resistenten Sorten lebte der Weinbau ab 1908 wieder auf, blieb aber nun von geringem Umfang. Wurden im 18. Jahrhundert bis zu 16 km² Fläche mit Wein bebaut, waren es in den 1940er Jahren (natürlich auch kriegsbedingt) nur noch etwa 0,7 km² (heute wächst sächsischer Wein auf etwa 3,2 km² Elbhangfläche).

Die erste Rundfunksendung aus Dresden war im Jahr 1925 zu hören.

Ausbreitung der städtischen Siedlungen

Mit der Industrialisierung setzte eine enorme Zuwanderung nach Dresden ein, was zu einem intensiven Wohnungsbau führte, besonders in den Vorstädten und Vororten, die noch genügend freies Bauland zur Verfügung hatten.

Dresden breitete sich rasant über das Umland aus - von 26 km² Stadtfläche um 1850 auf 110 km² um 1920. Die Bevölkerung nahm von etwa 104.000 Einwohner im Jahr 1852 auf mehr als 548.000 Einwohner im Jahr 1910 und schließlich ca. 638.000 Einwohner im Jahr 1938 zu (heute hat Dresden ca. 520.000 Einwohner).

Um 1860 waren im Gebiet der Vorstädte nur die und die Antonstadt dicht bebaut. Bis um 1900 breitete sich das Häusermeer dann über das ganze Gebiet zwischen dem Bischofsweg, der Fetscherstraße, dem Zelleschen Weg, der Nürnberger Straße und der Waltherstraße aus. Außerhalb dieses Gebietes entstanden immer neue Wohnsiedlungen und Villenviertel. Mit neuen Bauordnungen sorgte die Stadt für eine einigermaßen einheitliche und geordnete Bebauung der Vorstädte.

Die einzelnen Stadtteile und Wohnviertel differenzierten sich nun in eintönige Arbeiterwohnsiedlungen im Umfeld der Industriezentren (extreme Mietskasernenviertel entstanden in Dresden jedoch kaum), mittelständisch geprägte Wohnbezirke mit kleinerem Hinterhofgewerbe in industriefernen Stadtgebieten und vornehme Villenviertel der Oberschicht z.B. am Großen Garten, südlich vom Hauptbahnhof, in den Randgebieten der Inneren Neustadt und weiter entfernt in Oberlößnitz, Loschwitz und Bad Weißer Hirsch. Die nach dem Vorbild fortschrittlicher englischer Arbeiterwohnsiedlungen planmäßig angelegte Gartenstadt Hellerau entstand zwischen 1908 und 1910.

Die neue Siedlungsstruktur und der massive Ausbau des Verkehrsnetzes ermöglichten zur Jahrhundertwende umfangreiche Eingemeindungen von Vorstadtsiedlungen nach Dresden: Striesen und Strehlen 1892, Pieschen und Trachenberge 1897, Gruna 1901, Seidnitz und Zschertnitz 1902, Cotta, Naußlitz, Mickten, Kaditz, Übigau, Trachau, Räcknitz und Plauen 1903.

Durch die Verlegung der Neustädter Militärkaserne aus dem Stadtzentrum heraus an den Rand der Dresdner Heide entstand zwischen 1873 und 1879 die Albertstadt als eine der größten Garnisonsstädte Deutschlands. Sie besaß eine eigene Verwaltung und eine eigene Polizei.

Im Dresdner Süden war Bauland wegen des fruchbaren Lößbodens sehr teuer. Die Bauern gaben das Ackerland auch nur sehr zögerlich preis, so dass die Stadt nur langsam in diese Richtung wuchs. Noch heute liegt die südliche Stadtgrenze nicht allzu weit vom Hauptbahnhof entfernt.

Nach 1920 griff der Wohnungsbau auch auf die entfernteren Vororte mit ihren meist gut erhaltenen Dorfkernen über. In deren Umfeld entstanden Wohnsiedlungen in einem eher zurückhaltenden Baustil wie die Siedlung des Bauvereins Gartenheim in Gruna (1925/26 nach Plänen von Paul Beck gebaut) oder einem modernen funktionellen Stil wie das Wohngebiet Kopernikusstraße in Trachau (1927 bis 1929 nach Plänen von Hans Richter gebaut).

Am Ende der 1920er Jahre brachte die Bewegung "Wohnen im Grünen" neue Wohnsiedlungen z.B. in Briesnitz und in Laubegast am Kirchplatz (1926-1928) hervor.

Verkehrsentwicklung

Die um 1900 entstandenen, zum Teil auf mächtigen Dämmen verlaufenden Eisenbahntrassen prägten von nun an die Stadtstruktur entscheidend mit. Sie bildeten Grenzen der Altstadt und der Neustadt nach Nordwesten, Westen und Süden. Nach der Fertigstellung der neuen Bahnanlagen im Umfeld des Hauptbahnhofes (1892-1895) und des Neustädter Bahnhofes zusammen mit der Eisenbahnbrücke neben der Marienbrücke (1998-1901) war um 1900 die neue Innenstadtstruktur im wesentlichen festgelegt.

Die neuen Industrieviertel entstanden vorrangig an den Gleisanschlüssen der Bahntrassen - z.B. im Südosten an der Strecke der Böhmischen Bahn in Reick und Niedersedlitz und auf der Neustädter Seite besonders in der Leipziger Vorstadt. Im Norden behinderte zunächst der Militärbezirk der Albertstadt die Ausbreitung der Industrie entlang der Bahnstrecke.

Spezialindustrien mit hohem Veredlungsgrad und geringem Güterumschlag wie z.B. Zigarettenfabriken und feinmechanische Werke benötigten keinen Gleisanschluss und konnten sich deshalb freier über das Stadtgebiet ausbreiten.

Vor allem die Versorgung Dresdens mit Steinkohle aus dem Freitaler Revier führte zur Entstehung der verwickelten Bahnanlagen der "Kohlenbahn" an der Freiberger Straße in Löbtau. Hier entstanden große Einrichtungen des Kohleumschlags, des Fernhandels und der Lagerwirtschaft.

Der neue Elbhafen - der Alberthafen im Ostra-Gehege - ging im Jahr 1895 in Betrieb.

Der schnell zunehmende innerstädtische Verkehr machte auch neue Elbebrücken erforderlich. Nach der bereits 1852 fertiggestellten Marienbrücke kamen bis 1877 die Albertbrücke, bis 1895 die (alte) Carolabrücke und bis 1901 die Eisenbahnbrücke neben der Marienbrücke hinzu. Die zwischen 1891 und 1893 errichtete Elbbrücke "Blaues Wunder" gilt als technisches Meisterwerk ihrer Zeit.

Die dicht umbaute Innenstadt benötigte neue Ausfallstraßen. Ab 1872 entstand eine durchgehende Ost-West-Trasse durch die Innenstadt - mit der zwischen 1872 und 1875 durchgebrochenen Schweriner Straße im Westen, der zwischen 1878 und 1880 durchgebrochenen Grunaer Straße im Osten und der zwischen 1885 und 1888 vom Altmarkt zum Pirnaischen Platz durchgebrochenen König-Johann-Straße. Beim Durchbruch der König-Johann-Straße ging viel wertvolle historische Bausubstanz verloren. Zusammen mit der schon zwischen 1851 und 1853 zum Böhmischen Bahnhof durchgebrochenen Prager Straße verlängerten die Trassen ein bereits im mittelalterlichen Stadtgrundriss angelegtes Straßenkreuz.

Mit der Ausbreitung des Stadtgebietes ging ein umfassender Ausbau des innerstädtischen Verkehrsnetzes einher, vor allem der Straßenbahnlinien, die zunächst mit Pferdebahnen und ab 1893 mit elektrischen Straßenbahnen betrieben wurden.

Ab 1935 entstand in Klotzsche der Dresdner Flughafen. Der ab 1913 in Kaditz und danach am Heller betriebene Flugplatz verlor hierdurch an Bedeutung.

Architektur

Um die Jahrhundertwende prägte der Jugendstil, der bereits Elemente des späteren Bauhausstils vorwegnahm, das Dresdner Kunst- und Baugeschehen. Der besondere Dresdner Jugendstil zeigt viele neobarocke Elemente. Zu dessen Entwicklung trugen auch die im Jahr 1898 gegründeten Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst bei, die um 1910 als Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst nach Hellerau umzogen.

Am Ende des 19. Jahrhunderts besann man sich auf alte Dresdner Bautraditionen und die Pflege des Architekturerbes. So konnte beim Bau des Ständehauses (Paul Wallot, 1901-1906) die geplante Teilabtragung der Brühlschen Terrasse verhindert werden. Die Elbwiesen hielt man von einer Bebauung frei, ebenso die zwischen 1838 und 1869 regenerierte und erweiterte, zwischen dem Stadtkern und dem Großen Garten gelegene Bürgerwiese.

Stadtbaurat Hans Erlwein bereicherte das Stadtbild mit sorgfältig auf das Umfeld abgestimmten Bauwerken. Dazu gehören das Italienische Dörfchen (1911-1913), ein Bauwerk im Stil eines Parkpavillons des 18. Jahrhunderts, das den Theaterplatz zur Elbe hin abschließt, und die damals größte Volksschule Sachsens in Cotta sowie Industrieanlagen wie das Gaswerk in Reick (1878-1881) und der Neue Schlachthof (1906-1913) im Ostra-Gehege.

Im Innenstadtbereich entstanden zur Jahrhundertwende monumentale Bauwerke wie das Finanzministerium (1890-1896), das Gesamtministerium (1900-1906) und das Neue Rathaus (1905-1910).

Viele neue Geschäftsbauten der Innenstadt zeigten sich in einem üppigen Neobarock. Ein Beispiel ist der Kaiserpalast von 1895 am Pirnaischen Platz (im Februar 1945 zerstört).

Zu den ab 1884 verwirklichten Um- und Neubauten im höfischen Bereich der Altstadt gehören das Albertinum (1887), die Kunstakademie (1895), das Ausstellungsgebäude des Kunstvereins (1894/95) und die Sekundogenitur (1896).

Bis zur Jahrhundertwende gelangten auch der Neorenaissance-Bau des Amtsgerichtes (1888-1892) am Sachsenplatz und das monumentale Polizeipräsidium (1895-1900) östlich des Neumarktes zur Vollendung.

Aus Anlass der 800-Jahr-Feier des Hauses Wettin ließ der König im Jahr 1889 das Residenzschloss umfangreich restaurieren und mit Neorenaissance-Fassaden ausstatten.

Nach der Jahrhundertwende entstanden das Ständehaus (1900-1906) am Schlossplatz und das Schauspielhaus (1911-1913) am Postplatz. Letzteres wurde mit der seinerzeit modernsten Bühnentechnik eröffnet.

Zwischen 1870 und 1908 errichtete man für die schnell zunehmende Bevölkerung Dresdens 21 neue Kirchen, die meisten davon im Stil der Neoromanik oder Neogotik. Dazu gehören die Martin-Luther-Kirche am Martin-Luther-Platz (Äußere Neustadt), die Petrikirche am Großenhainer Platz (Leipziger Vorstadt), die Markuskirche in Pieschen, die Friedenskirche in Löbtau und die Garnisonskirche St. Martin an der Stauffenberg-Allee (Albertstadt). Die Trinitatiskirche in der Johannstadt zeigt sich im Stil der italienischen Renaissance mit barocken Details, die Christuskirche in Strehlen im Jugendstil, die Herz-Jesu-Kirche in Striesen neogotisch und die Versöhnungskirche in Striesen neoromanisch mit Elementen des Jugendstils. Von den Dresdner Kirchen überstand nur etwa die Hälfte die Bombenangriffe im Jahr 1945.

Zwischen 1900 und 1920 erhielt Dresden auch zahlreiche neue Denkmäler und Brunnen, die zum Teil durch Stiftungen (z.B. Güntz, Tiedge) finanziert wurden.

Von 1923 bis 1945 war Paul Wolf als Dresdner Stadtbaurat tätig. Er besorgte den Umbau des Neuen Gewandhauses und die Restaurierung der Frauenkirche. Auch das Bürgerheim Pfotenhauerstraße und der Neue Packhof beruhen auf seinen Plänen.

Eines der letzten in Dresden vor dem Zweiten Weltkrieg neu gebauten großen repräsentativen Bauwerke war das Gebäude des Deutschen Hygiene-Museums von Wilhelm Kreis, das im Jahr 1930 anlässlich der II. Internationalen Hygiene-Ausstellung eröffnete.




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